Beschwerderitis während den Reisen

Beschwerden können helfen, Schwachstellen aufzudecken und den Service zu optimieren. Google macht es einem leicht, etwas zu beanstanden.
Doch kommt so etwas bei den Ansprechpersonen an?

Egal, ob Steckdosen funktionieren

Ich fahre mit dem Regionalexpress RB und möchte mein Smartphone laden. Keine Steckdose im Abteil funktioniert. Mein Versuch in einem anderen Abteil klappt schliesslich. 

Ich möchte dieses Defizit melden. „Nur wo?“ Der Kontrolleur passiert mich bald. Bevor mich der Schaffner erreicht, unterhalte ich mich mit einem in einem anderen Abteil hockenden Fahrgast, bin aber rechtzeitig auf dem Weg zurück zur Kontrolle und möchte dem Schaffner dabei gleich mein Anliegen vermitteln, was diesen aber gar nicht interessiert.“ Stattdessen schnauzt er mich an; „wenn ich Sie nochmals im Gang stehen sehe, schmeiß ich sie aus dem Zug.“

„Kann ich den ernst nehmen? Nein. Ich sollte sein Auftreten nicht ernst nehmen, bin aber auch nicht der introvertierte Mister Spock von Enterprise mit Asperger-Merkmalen und daher fassungslos. Einerseits kann jeder mal einen schlechten Tag haben und andere dabei herabsetzen. Anderseits ist mir die unfeine Umgangsform des Schaffners doch zu viel und sollte in solch einer beruflichen Anstellung nicht vorkommen.“

Jedenfalls bin ich perplex, möchte aber noch ganz kurz mein Gespräch zu Ende führen. Jener Fahrgast, der auch mein Gesprächspartner ist, erhebt beruflich zufällig Fahrgastdaten. Diese Daten werden zur Abrechnung mit dem Bundesland gebraucht.

Nochmals werde ich vom Schaffner aufgefordert, mich sofort zu setzen. Indes stehen auch andere Fahrgäste länger, beziehungsweise in Ausgangsbereichen der Abteile. Ausgiebig Platz wäre aber ebenso im Fahrgastraum, wo eben ich stehe. „Mich beschweren? Das lass ich mal schön sein. Denn dafür verwende ich diesmal sicher nicht noch Zeit mit Telefonaten und dabei meine übrige Energie verschwendend.“

Beschweren, bringt das was?

Im nächsten Zug erzählt mir eine Dame von hilfsbereiten Mitarbeitern. Diese würden doch bestraft werden, wenn sich andere Mitarbeiter so unverschämt verhalten. „Also mich doch beschweren!“

Ich rufe beim zuständigen Regionalverkehr an. Zwar mühsames Durchstellen mit nerviger Computerauswahl, doch meldet sich rascher als gedacht eine Mitarbeiterin und erklärt mir, hierfür sei die Deutsche Bahn verantwortlich. „Telefonnummer?“ Wisse sie nicht. Ich rufe die Servicenummer der Deutschen Bahn an; 030 2970. Ewige Computerauswahl und wieder niemand dafür zuständig. „Sie werden weiterverbunden,“ doch de facto wird das Telefonat abgebrochen.

Am nächsten Morgen wende ich mich an die Bahninformation München. Alle Schalter frei, scheint alles toll zu klappen. Ich bringe mein Anliegen vor. Zwischenzeitlich nennt mir der Schalterangestellte ständig irgendwelche Privatbahnen, um meiner Beschwerde auszuweichen und sie abzuwenden. Er braucht lange, bis er den fraglichen Zug ausfindig machen kann. „Hilft trotzdem nichts, zwei Möglichkeiten legt er mir nahe; „Formular oder…?“

Gleich nehme ich das Formular an, fülle es aus; Beschwerden über Personal unter “Sonstiges” zu finden. Ich schreibe „den Fall“ nieder. „Bitte lesen Sie durch, ob alles verständlich ist. Wir geben es nur weiter.“ Bin gespannt, wie die Antwort ausfällt. 

Formulare sind altbacken, funktionieren aber meiner Meinung nach immer noch am besten. Es hätte mich gefreut, wenn sich das nochmals ein Mitarbeiter angeschaut hätte, drei Schalter waren ja frei. Ich wünsche mir, dass Beschwerden als Chancen zur Verbesserung gesehen werden. „Von daher Mut zur Beschwerderitis!“

Kulantes Personal – Fehlanzeige

Aber auch die Privatbahnen, wie die Agilis, haben Schwierigkeiten mit ihrem Personal. Die müssen in den sauren Apfel beißen und dürfen ihre Misslaune nicht an den Reisenden auslassen.
Ein Beispiel hierzu:

Im Zug der Agilis von Arzberg nach Marktredwitz

Ich bin um 5:30h aufgestanden, das Smartphone leer, falsch eingesteckt, wurde nicht geladen. Eine kleine Beschwerde wegen meines Versäumnisses könnte ich allerdings mir gegenüber selbst schon hier anbringen… 30 Minuten Zeit bleibt noch, bis der Kollege aus Cheb zur Arbeit nach Arzberg fährt, lade kurz, in Arzberg am Bahnhof genügend Zeit, um weiter zu laden, doch wo?

Der Zug kommt pünktlich an, ich steige ein, stürme auf die Toilette, denn die Haltestelle Arzberg ist weder behindertenfreundlich, noch verfügt sie über ein WC. Die Kontrolleurin möchte kontrollieren, ich bitte Sie, darauf zu verzichten. Der Akku ist sonst leer, und in den Zügen nach Nürnberg fehlen Lademöglichkeiten, erkläre ich ihr. Ich nenne meine Webseite, möchte kurz eine Anmerkung über mein Projekt anbringen – sinnlos?
deutschlandticket.reisen/reisen

Es folgt eine kurze Diskussion, dabei fragend, wie die Agilis DeutschlandTickets verkauft. Das ist ihr sehr egal, sie möchte das Ticket sehen. Darauf entgegne ich etwas dreist – aber sie ist ja auch unfreundlich – dass ich nicht so gut mit meiner Arbeit bezahlt bin wie sie. Sie regt sich auf, das sei privat und droht wegen Beleidigung mit Polizei.

Nutzen von Beschwerden

Statt kundenfreundlich zu sein, empfinde ich manches Verhalten als pampig. Kein Interesse dafür, kurz über Vorteile des DeutschlandTicket von Agilis zu sprechen oder generell über den Tourismus in Nordbayern, scheint vorhanden zu sein.

Ein anderer Mitarbeiter der Deutschen Bahn im Zug war sehr freundlich, ich konnte das Smartphone in der 1. Klasse laden. Jeder kann mal einen schlechten Tag haben, doch gegenüber Kunden zählt Freundlichkeit.

Der Kundendienst wäre meiner Ansicht nach verbesserungswürdig. Denn während meiner telefonischen Reklamation bat man mich, die Anfrage schriftlich einzureichen. Nur findet man auf der Webseite keine E-Mail-Adresse, auch mit dem Kontaktformular komme ich nicht zurecht, auf Facebook sind auch keine Beiträge möglich.

Die Antwort auf meine Reklamation zeigt eine Standardaussage: Reisende seien selber verantwortlich, ein gültiges Ticket zu haben. Die Schaffner hätten Ermessensspielraum. Ein bisschen Nachholbedarf hat in dieser Hinsicht sogar die vielgerühmte Schweizer Bundesbahn (SBB). Elektronische Tickets sind vor Abfahrt zu besorgen, selbst wenn dies noch 30 Sekunden über den Zeitpunkt der Abfahrt hinaus dauert, wird eine Busse fällig.

Lokführer unter den Rädern

DeutschlandTicket, volle Züge, vor allem, wenn auf der Strecke Züge ausfallen. Bei Fahrtbeginn war die Welt noch in Ordnung, rechts und links im Waggon Platz für Räder, ordentlich befestigt waren sie. Im sich allmählich füllenden Zug drängelten sich alle nach vorn, Kinderwagen, Rucksacktouristen wie Kofferreisende. 

Nun ein Rollstuhlfahrer entdeckte keinen Platz für sich und stellte sich in die Tür. Der Lokführer stürmte heraus, „gut ich helfe Ihnen.“ „Wem gehören die Räder? Die müssen raus, ein Rollstuhlgänger hat Vorrang.“

Eine Dame meldet sich, packt ihr Fahrrad, verlässt den Zug, kein Dankeschön, sondern unfreundliche Blicke. Weitere Radbesitzer melden sich nicht, der Lokführer packt ein Rad, wirft es auf den Bahnsteig. Das ist unmöglich, es muss doch andere Lösungen geben. Einige Reisende verlassen den Zug, das Rad bleibt liegen. Einige dürften hinten eingestiegen sein, und der Besitzer des rausgeschmissenen Fahrrads möchte lieber unerkannt bleiben. 

Der Rollstuhlfahrer ist allerdings zufrieden, drängelt sich hinein. Die Reisenden sind geschockt, der Lokführer meint, Rollstühle hätten immer Vorrang. Alles hätte anders vorfallen müssen, Platz hätte es genug gegeben. Doch statt den Platz optimaler zu nutzen, hat der deutsche Befehlston dominiert.

Dabei war die Toilette defekt, eine grosse Behindertentoilette. Dort drin hätten Koffer und Kinderwägen abgestellt werden können. Doch mit Befehlston lösen sich Probleme scheinbar einfacher. Mit dem Fall habe ich mich an die Pressestelle gemeldet, leider ohne Antwort.

Personal ist meistens freundlich

Ich möchte eine Lanze für das Personal brechen. Es verhält sich meistens professionell und freundlich. Und es ist ein schwieriges Unterfangen, überfüllte Züge zu managen, wie das Beispiel einer Quereinsteigerin zeigt:

Ein überfüllter Zug, eine junge Schaffnerin versucht Ordnung zu schaffen. „Wem gehören die Fahrräder, wo steigen sie aus? Das Rad an der Wand zwei Stationen weiter, eine Station weiter nun drei Räder, möchte der erst zur Endstation raus? Könnten Sie bitte die Fahrräder umordnen?“ „Das ist viel zu umständlich. Ich war zuerst da, die andern sind später eingestiegen.“ Oder: „Der Zug hat sonst Verspätung,“ so eine Reisende. „Wir haben sonst später nur Probleme,“ entgegnet die Schaffnerin. 

Mit viel Murren und Geklöne werden die Räder umgestellt, der Zug fährt eine Minute später ab. Sie versucht weiterhin den Eingang freizuhalten, bittet Reisende Taschen von den Plätzen zu nehmen, das Gepäck besser zu verstauen und den Eingangsbereich zu räumen. 

Eine Station später bleibt der Zug stehen. Was ist passiert? Jeder möchte es wissen. Die Schaffnerin erhält einen Anruf, jemand hat die Türöffnung gewaltsam betätigt, diese ist defekt. Das ganze dauert jetzt mindestens 20 Minuten. Eine Durchsage darf Sie nicht machen, ist in der Ausbildung. 

Der Lokführer ist mit Schadensbehebung beschäftigt, defekte Türe später nochmals, „alle Türen testen,“ der Zug ist lang. Einige Reisende gehen nach vorne, was ist da los? Nach 20 Minuten fährt der Zug weiter, der Lokführer macht seine Durchsage, irgendjemand hat anscheinend die Tür gewaltsam entriegelt.

Die junge Schaffnerin ist erschöpft, mindestens 20 Mal wird sie gefragt, warum sie keine Durchsage macht. Ungeduld ist heute ein riesiges Problem, alle haben Apps und finden doch oft keine Antwort. Doch so einfach ist eine Antwort auch nicht immer. Zumindest hätte der Lokführer erklären können; „wir haben ein Problem, haben Sie bitte mindestens 15 Minuten Geduld.“  

Sollten Fahrgastrechte denn so umgesetzt werden?

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