Wie stärkt das DeutschlandTicket die Nachhaltigkeit?

Im Rahmen meiner Deutschlandreisen überlegte ich mir, über ein gleiches Modell in der Schweiz zu diskutieren. Mit einem interessanten Beitrag brachte sich das VCS aktiv ein. Im Rahmen des „9 Euro Ticket“ wurde die Frage auch dem Schweizer Parlament gestellt.
Die Antwort darauf fällt für mich nicht gerade ermunternd aus:
Bereits heute wird der ÖV in der Schweiz gut bis sehr gut frequentiert. Mit einem 9-Euro-Ticket riskieren wir, dass Busse und Züge überfüllt und die Kundschaft entsprechend unzufrieden ist. Einerseits erleidet der ÖV in der Schweiz dadurch einen Imageverlust. Andrerseits besteht die Gefahr, dass die bestehende Kundschaft (z. B. Pendler) aufgrund des überfüllten ÖV zumindest während der Aktionsphase auf das Auto umsteigen. Zudem ist davon auszugehen, dass viele durch die Aktion angeworbene Neukunden den ÖV nicht weiter benutzen, wenn sie nach 3 Monaten die normalen Tarife bezahlen müssen. Mit gezielten Aktionen ist der öffentliche Verkehr bereits heute darum bemüht, Personen zum Umsteigen auf Bahn oder Bus zu bewegen. Die mit einer solchen Aktion verbundenen Ertragsausfälle der ÖV-Branche müssten durch den Bund gedeckt werden. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis rechtfertig die Einführung eines 9-Euro-Tickets in der Schweiz nicht.
Der VCS Verkehrs-Club der Schweiz beurteilt die Frage nach stark vergünstigtem ÖV vor allem aus einer umweltpolitischen Optik. Daraus ergeben sich für mich folgende relevante Punkte:
Grundsätzliche Haltung des VCS zu stark vergünstigtem ÖV ist: Den ÖV zu nehmen, anstatt das Auto, ist umweltschonender. Der ÖV benötigt über drei Mal weniger Energie pro Kopf. Darum stösst er auch weniger klimaschädliches CO2 aus. Das Auto erfordert zudem viel Platz (für Parkplätze und Strassen), und oft ist nur eine Person in einem einzigen Auto unterwegs. Zudem macht der ÖV deutlich weniger Lärm als der Autoverkehr. Aber auch der ÖV ist nicht die umweltfreundlichste Fortbewegungsform: Mit dem Velo oder zu Fuß zu gehen, braucht gar keine chemische oder elektrische Energie, verursacht keinen Lärm und benötigt auch kaum Platz. Deshalb: Für die Umwelt ist es am besten, man geht zu Fuss oder mit dem Velo und nutzt für notwendige und längere Distanzen den öffentlichen Verkehr.
Umwelt-Aspekt Verlagerung / Modalsplitverschiebung: Es ist schwierig abzuschätzen, ob ein stark vergünstigter öV zu einer Verlagerung vom Auto auf den öffentlichen Verkehr führen wird oder eher zu einem Umsteigen von Fuss- und vor allem Veloverkehr zum öV.
Gefahr Finanzierungslücke: Ebenfalls problematisch ist, dass ein zu günstiger ÖV die Gefahr birgt, dass der ÖV im Vergleich zu heute unterfinanziert wird und dies zu einer Abnahme dessen Qualität und damit einhergehend zu einem längerfristig weniger attraktiven und damit weniger genutzten öffentlichen Verkehr führt.
Umwelt-Aspekt Zersiedelung: Potentiell kann günstiger ÖV außerdem zu einer weiteren Zersiedlung führen, da die Kosten für dementsprechend längere Wegstrecken wegfallen.
Gratis ÖV bei Jugendlichen: Jugendlichen sollte einen einfachen und günstigen Zugang zum ÖV gewährt werden. So können sie schon früh gute Erfahrungen mit dem ÖV machen und entscheiden sich später eher dazu, gar kein eigenes Auto zu kaufen. Aber gleichzeitig ist es auch problematisch, wenn der ÖV praktisch nichts kostet. Das sendet ein falsches Signal aus. Denn auch der ÖV verbraucht Energie. Einfach viel herum zu fahren, nur weil es sehr günstig ist, schadet der Umwelt. Der VCS ist der Meinung, dass grundsätzlich so wenig wie möglich gefahren werden soll, einerlei ob mit ÖV oder im Auto. Ist der ÖV zu günstig, führt das zu mehr Verkehr. Um Jugendlichen einen guten Zugang zum ÖV zu ermöglichen, gibt es bereits heute viele Vergünstigungen zu verschiedenen Abonnements. Und das funktioniert; drei von vier Jugendlichen in der Schweiz besitzen ein ÖV Abonnement.
Verkehrsspitzen: Mit stark vergünstigten ÖV-Billetten für alle könnte man keine Steuerung mehr betreiben, um die Spitzenzeiten im ÖV zu brechen. Dadurch bestände das Risiko, dass die Passagierzahlen zu Spitzenzeiten immer stärker zunehmen.
Deshalb ist der VCS grundsätzlich für Maßnahmen zugunsten eines gut funktionierenden und verlässlichen ÖV sowie für Vergünstigungen zugunsten einzelner Gesellschaftsgruppen, um auch diesen den Zugang zum ÖV zu vereinfachen, wie beispielsweise mittels tieferer Preise von Halbtax-Abonnements oder durch Spar-Billette, aber sie ist gegen einen generell stark-vergünstigten ÖV.
Mobilität hat ihren Preis. Dieser soll für alle erschwinglich, aber nicht fast gratis sein.
Eine weitere Frage, ob ein bundesweit günstiges Ticket für den Tourismus in Frage kommt, wird in der Diskussion eher kritisch betrachtet. Andererseits wäre für Touristen das Reisen mit solch einem Ticket viel unkomplizierter, denn ein sich ständig wiederholender Ticketkauf würde so entfallen.
Ferner sollte sich die Tourismusindustrie für den Verkauf eines solchen Tourismus-Tickets engagieren und nicht das Parlament. Hinsichtlich diverser Gästekarten, wie beispielsweise der Konus, wird das ja bereits getan. Aber vorteilhafter wäre es, wenn es dazu für alle Schweizer oder deutschen Verkehrsverbünde eine einheitliche Lösung gäbe.


